
30.05.2024
Am ersten Tag der 38. Internationalen Deutschen Meisterschaften im Para Schwimmen (IDM) wurde die Berliner Traditionsveranstaltung gleich zu einem grandiosen Rekordfestival. Drei Weltrekorde, vier neue europäische Bestmarken und auch zwei deutsche Rekordleistungen erzielten die Aktiven aus insgesamt 63 Ländern im schnellen Becken der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (SSE), in dem in diesem Jahr zeitgleich auch Rennen der Para Swimming World Series ausgetragen werden.
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Bei ihrem Heimspiel besonders im Blickpunkt stand am Donnerstag dabei Elena Semechin (geb. Krawzow) vom Berliner Schwimmteam. Die Paralympics-Siegerin von Tokio 2021 wurde ihrer Favoritinnenrolle über 100m Brust eindrucksvoll gerecht und gewann mit einer Zeit von 1:14,20 Minuten auch überlegen die IDM-Punktewertung. Nach überstandener Chemotherapie wegen eines Hirntumors hat sich die 30-Jährige die Verbesserung des eigenen, im Jahr 2019 aufgestellten Weltrekords in der Startklasse SB12 (1:12,71) zum Ziel für diese Saison gesetzt, trotz körperlicher Veränderungen arbeitet sie hart dafür. Vor allem wohldeswegen sprach sie trotz des Sieges dann auch von einer nicht ganz optimalen Generalprobe für die Paralympics in Paris (FRA/28. August – 08. September). “Nach all dem, was die letzten drei Jahre so war und was ich alles meistern musste, möchte ich es mir selber beweisen, schaffe ich es noch, meine Performance vor dem Krebs zu toppen. Und das ist jetzt meine neue Challenge", sagte Semechin.Gedanken ans Scheitern verschwendet sie dabei jedenfalls nicht: “Ich habe so einen starken Willen, deswegen kann mich eigentlich nichts stoppen." Neele Labbudda (Hanse SV Rostock/ebenfalls SB12) verpasste die Paris-Norm im selben Rennen mit 1:28,61 nur hauchdünn um drei Hundertstel.
Tolle Leistungen zeigten über 100m Brust auch Europameister Taliso Engel (SG Bayer/SB13), Philip Hebmüller(Düsseldorfer SC 1898/SB13) und Maurice Wetekam (SG Bayer/SB9) mit Zeiten von 1:03,86, 1:09,46 beziehungsweise 1:11,24 Minuten. In der über alle Startklassen hinweg vergleichenden IDM-Punktewertung mussten die drei deutschen Paralympics-Kandidaten aber Nelson Crispin Corzo (COL/SB6) den Vortritt lassen, der in 1:17,59 Minuten den eigenen Weltrekord in seiner Startklasse um gut eine halbe Sekunde verbesserte. “Mit der Zeit kann ich eigentlich nur zufrieden sein. Die kam jetzt voll aus dem Training raus”, meinte Engel, hinter dem nach EM-Gold und Weltrekord vor einem Monat aufregende Tage liegen. “Ich war bei der Veröffentlichung der neuen Olympia-Einkleidung dabei in Paris. Und letzten Sonntag auch das Treffen mit Macron und Steinmeier. Das sind Erlebnisse, die man nicht tagtäglich erlebt. Ich genieße das aktuell alles sehr und freue mich einfach nur, dass ich das Ganze miterleben darf.”
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Sogar mit deutschen Rekorden hatten gleich im ersten Wettkampfabschnitt Gina Böttcher (SC Potsdam/S4) und Mira Jeanne Maack (Berliner Schwimmteam/S8) geglänzt. Böttcher schwamm die 200m Rücken in 3:41,58 Minuten, Maack in 2:54,07. Für Paris haben beide dann aber eher kürzere Distanzen im Blick. Böttcher, die vor einem Monat sechs EM-Medaillen (drei davon in Gold) gewann, geht die Vorbereitung auf die Paralympcis nun voller Optimismus an: “Ich habe noch sechs Wochen Trainingslager davor. Mal schauen, was das bringt in der Sonne. Das bringt ja eigentlich immer sehr viel. Und ja, dann werden wir sehen, was rauskommt.”
Bereits nach dem ersten Finale des Tages war deutlich sichtbar geworden, dass die IDM auch den Abschluss der nationalen Qualifikation für die Paralympics in Paris bilden. “Eine wunderbare Überraschung und Ehre für mich”, sagte Josia Topf (BPRSV Cottbus/S3) dazu, dass er nach seinen 3:41,38 Minuten über 200m Freistil von Bundestrainerin Ute Schinkitz symbolisch ein Flugticket nach Paris überreicht bekam. Danach erinnerte der 21-Jährige aber sofort noch einmal an sein Pech bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr. "Also ich finde es wunderbar, natürlich, aber ich bin dem Ganzen gegenüber noch etwas suspekt eingestellt, einfach wegen meiner Magen-Darm-Erkrankung vom letzten Mal. Wenn mich jemand fragt, ob ich in Paris starten werde, sage ich immer dazu, frag mich, wenn ich auf dem Startblock stehe, dann können wir darüber reden. Weil ich einfach auch weiß, was es heißt, praktisch auf dem Weg zum Wettkampf zu erkranken und nicht daran teilzunehmen.”
Ebenfalls über die 200m Freistil in guter Form präsentierte sich am Donnerstag Tanja Scholz (PSV Neumünster/S4), die in 3:08,34 Minuten den IDM-Titel gewann. Die dreifache Weltmeisterin des Vorjahres hatte aus gesundheitlichen Gründen seither einigen Trainingsausfall zu verkraften, scheint nun aber auf dem Weg zu früherer Stärke. “Ich freue mich sehr für Tanja, dass es bei ihr wieder aufwärts geht und sie wieder befreiter aufschwimmen kann”, sagte Bundestrainerin Schinkitz.
Für seine zweiten Paralympics zur Nominierung vorgeschlagen wird zudem Malte Braunschweig (Berliner Schwimmteam/S9), der über 100m Schmetterling den IDM-Titel gewann. Wie schon beim EM-Silber vor vier Wochen auf Madeira (POR) unterbot der 23-Jährige die Normzeit über 100m Schmetterling dabei mit 1:01,23, der Stress wegen einer gerissenen Wettkampfhose verhinderte dann dabei eine weitere Steigerung im Finale. “Das war ein lehrreicher Nachmittag”, sagte Malte dazu. Sein Bruder Ole Braunschweig hatte sich unlängst bereits ebenfalls für die Olympischen Spiele qualifizieren können, wie vor drei Jahren sind also beide wieder im Zeichen der Ringe unterwegs. “Das ist unglaublich schön und wir freuen uns darauf, dass wir das weiter so durchziehen können”, sagte Malte Braunschweig.
Die Rekordjagd eröffnet hatte der Tscheche David Kratochvil (S11) mit einem Weltrekord über 200m Rücken (2:25,59 Minuten) im ersten Wettkampfabschnitt, gut zwei Stunden später schob der 17-Jährige gleich noch Federico Bicelli(ITA/S7) mit 2:11,30 Minuten dann sogar zum Weltrekord über 200m Freistil. “Ich bin glücklich, hier bei der IDM Berlin zu sein, es ist mein drittes Mal hier. Letztes Jahr habe ich in diesem Rennen einen Weltrekord aufgestellt, heute habe ich noch einen gesetzt und bin daher glücklich. Ich war eine Sekunde schneller als letztes Jahr und bin so glücklich über dieses Rennen. Dieser Pool ist wunderbar", sagte der Italiener. Einen Europarekord stellte zudem Alan Ogorzalek (POL/SM10) über 400m Lagen (4:56,91 Minuten) auf. Und über 100m Schmetterling verbesserte Ismail Zulfic (BIH/S5) die Bestmarke in Vor- und Endlauf sogar gleich zweimal (1:37,02/1:35,50).
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